- bemannte Raumfahrt: Die internationale Raumstation ISS
- bemannte Raumfahrt: Die internationale Raumstation ISSAls Jules Verne die Herren Babricane, Ardan und Nicole in seinem Roman »Von der Erde zum Mond« fliegen ließ, hätte sich wohl niemand vorstellen können, dass 104 Jahre später seine detaillierten Beschreibungen einmal Wirklichkeit werden würden. Doch zunächst stand die Raumfahrt unter dem Einfluss der Militärs: Von Peenemünde aus flogen die ersten V2-Raketen nach England, und während des Kalten Krieges schockte 1957 der sowjetische Sputnik die Amerikaner, die nun den Krieg aus dem Weltraum fürchten mussten. Seitdem haben die beiden großen Länder eigene Raumfahrtprogramme entwickelt und umfangreiche Erfahrungen in der bemannten Raumfahrt gesammelt. 1969 gelang den Amerikanern die erste Landung auf dem Mond, die Sowjetunion konzentrierte sich seit 1971 auf den Betrieb ihrer Raumstationen. Inzwischen gilt die bemannte Raumfahrt eher als Instrument des Friedens denn des Krieges. Russische, amerikanische und europäische Astronauten und Kosmonauten teilen sich beispielsweise heute an Bord der Mir den engen Raum, um sich auf ein großes Ziel vorzubereiten: den Bau und Betrieb der Internationalen Raumstation ISS. Und der bemannte Flug zum Mars oder zu anderen Planeten im Sonnensystem ist möglicherweise nur eine Frage der Zeit — nicht immer müssen 104 Jahre vom Traum zur Realisierung vergehen.Der lange Weg zur internationalen RaumstationNeben amerikanischen und russischen Astronauten beteiligen sich seit vielen Jahren auch Männer und Frauen anderer Länder an den Raumflügen. In Zusammenarbeit mit der NASA baute Europa Anfang der 1980er-Jahre sogar ein spezielles Raumlabor, das die Astronauten in der Ladeluke des Spaceshuttles für Schwerelosigkeitsversuche nutzten. Der erste Spacelabflug startete 1983, mit dem deutschen Physiker Ulf Merbold war erstmals ein Ausländer an Bord eines amerikanischen Raumfahrzeugs.Mit dem europäischen Spacelab an Bord absolvierte der US-Shuttle seine technisch anspruchsvollsten und wissenschaftlich ergiebigsten Missionen. Bei etwa zwei Dutzend Spacelabflügen unternahmen die Astronauten mehrere Hundert schwierige Biologie-, Medizin- und Materialversuche. Sie wollten dabei untersuchen, wie die Schwerelosigkeit in der Erdumlaufbahn auf Menschen, Tiere, Pflanzen und unbelebte flüssige Materialien wirkt. Allerdings konnte das Spacelab wegen der begrenzten Kapazitäten des Raumtransporters maximal 12 Tage in der Umlaufbahn bleiben. Systematische Langzeituntersuchungen waren deshalb nicht möglich.Zu Beginn der 1980er-Jahre konkretisierten deshalb die westlichen Industrienationen ihre Pläne für eine gemeinsame Raumstation, welche die vielfach von den Wissenschaftlern geforderten monate- und jahrelangen Experimente ermöglichen sollte. Der amerikanische Präsident Ronald Reagan stellte das Projekt 1984 der Öffentlichkeit vor und forderte Europa, Japan und Kanada offiziell zur Teilnahme auf. Als nach der politischen Wende im Osten auch Russland zur Teilnahme eingeladen wurde und sein Interesse bekundete, wurde das Projekt endgültig zur »International Space Station«.Neben der technischen und wissenschaftlichen Bedeutung erhielt das Projekt mit der Teilnahme Russlands auch eine entscheidende politische Dimension. Die ehemals verfeindeten Industrienationen wollen nun die politische Koexistenz mit dem neuen Projekt in der Erdumlaufbahn krönen. Die westlichen Industrieländer hatten zwei Gründe, die Russen einzuladen: Zum einen holten sie sich einen äußerst versierten Partner ins ISS-Boot, der in den zwei Jahrzehnten zuvor wichtige Erfahrungen bei Start, Unterhalt und Nutzung von acht Raumstationen sammeln konnte. Zum anderen wurden so die ehemals sowjetischen und hoch qualifizierten Raumfahrtwissenschaftler an ein friedenssicherndes Projekt gebunden, statt ihre Kenntnisse Staaten zur Verfügung zu stellen, die möglicherweise nur an der militärischen Nutzung, speziell dem Bau von Interkontinentalraketen interessiert sind. Die technisch-wissenschaftliche und die politische Dimension des Projekts könnte so langfristig die enormen Kosten rechtfertigen, die sich mit dem Aufbau der ISS und der 20-jährigen Nutzung auf etwa 75 Milliarden Euro summieren dürften.Die »International Space Station«, wie sie jetzt offiziell heißt, soll von Astronauten aus insgesamt 16 Ländern mindestens 20 Jahre lang als Forschungsstation in der Erdumlaufbahn genutzt werden. Zu den Betreibern der Station gehören neben den wichtigsten Partnern Amerika und Russland auch Japan und Kanada sowie zehn Länder der Europäischen Raumfahrt-Organisation ESA. Sogar die Ukraine und Brasilien liefern kleine Beiträge.Die neue Raumstation ist modular aufgebaut; sie besteht aus etwa 100 einzelnen Konstruktionselementen, die nacheinander vom amerikanischen Space Shuttle und von der russischen Proton-Rakete in die Erdumlaufbahn gebracht und dort miteinander verbunden werden. Die konstruktive Basis der Station ist eine 100 Meter lange, quer zur Flugrichtung angeordnete Gitterstruktur, in die alle Systeme und Elemente eingeklinkt werden. Das Zentrum des Komplexes bilden die eigentlichen Raumstationsmodule, also die Arbeits- und Wohnräume für die Astronauten. Zur besseren Orientierung trägt jedes der ISS-Elemente eine einfache Abkürzung, kurz vor dem Start gibt es oft auch einen Eigennamen. Nach Fertigstellung wird der ganze ISS-Komplex die Größe eines Fußballfeldes haben und nach irdischen Maßstäben etwa 440 Tonnen wiegen.Die Forschungsstation wird die Erde alle 94 Minuten einmal auf einer 350 bis 450 Kilometer hohen Umlaufbahn umkreisen, die um 52 Grad gegen den Äquator geneigt ist, also den Globus sehr hoch im Norden und tief im Süden erreicht. Dabei wird ISS fast alle bewohnten Gebiete der Erde überfliegen und regelmäßig als hell leuchtender, schnell bewegter Stern am Himmel zu beobachten sein. Von der Raumstation aus können die Astronauten mit Teleskopen auch regelmäßig die Sterne und mit Spezialkameras die Erdoberfläche beobachten und fotografieren.Die vielen geplanten Module der Russen innerhalb der ISS bilden eine kleine Raumstation für sich, ähnlich wie der Mir-Komplex. Inzwischen ist jedoch fraglich, ob die Russen alle geplanten Elemente bauen und starten können. Zu groß sind die finanziellen und logistischen Probleme des Landes.An die russische Station schließen sich nach innen die beiden amerikanischen Module Hab und Lab an, in denen die US-Astronauten leben und arbeiten. Verbunden werden die einzelnen ISS-Sektionen mit Knotenelementen. Vorn quer zur Flugrichtung sind das große japanische und das kleine europäische Raumstationsmodul montiert.Rechts und links an der zentralen Gitterstruktur werden insgesamt acht große, ausrollbare Solargeneratoren montiert, die zusammen mit der kleineren russischen Kraftstation eine elektrische Leistung von insgesamt 110 Kilowatt liefern. Die Hälfte davon wird für den Betrieb der Raumstation benötigt, der andere Teil steht für die geplanten wissenschaftlichen Versuche zur Verfügung. Auf der dunklen Nachtseite der Erde ohne Sonnenschein übernehmen Batterien die Stromversorgung.Insgesamt wird der westliche Teil der Internationalen Raumstation sieben der zylindrischen, begehbaren Druckmodule enthalten, in denen die Astronauten bequem gekleidet leben und in Laboratorien arbeiten, die insgesamt 1200 Kubikmeter Volumen bieten. Die zwei amerikanischen, das japanische und das europäische Labormodul können insgesamt 33 der standardisierten Doppelracks von je 1 Meter Breite und 2 Metern Höhe aufnehmen, in denen die eigentlichen wissenschaftlichen Experimente untergebracht sind. Diese »Schränke« können die Astronauten auch im Erdorbit leicht ein- und ausbauen, um schnell neue Forschungsaufgaben übernehmen zu können. Für besonders eilige Fälle gibt es auch ein Express-Rack, das regelmäßig mit dem Shuttle hinauf zur Station und nach dem Einsatz wieder herunter gebracht und mit neuen Versuchsgeräten ausgestattet werden kann.Der schwierige Aufbau der RaumstationDie Montage des ISS-Komplexes begann am 20. November 1998 mit dem Start einer russischen Proton-Trägerrakete von Baikonur in Kasachstan, die das wichtige Zarja-Zentralmodul in die geplante 400 Kilometer hohe Erdumlaufbahn beförderte. Es bildet in den ersten Monaten den eigentlichen Kern der langsam entstehenden Raumstation und liefert die ersten Lageregelungs- und Energievorräte. Wenige Tage später, am 4. Dezember 1998, folgte das Unity-Modul der Amerikaner, das mit dem Spaceshuttle in den Orbit gestartet und mit dem Zarja-Modul verbunden wurde. Ab 2000 soll die Installation des russischen Servicemoduls folgen, das dann auch von drei Astronauten bewohnt werden kann.Danach werden bis 2005 noch etwa 40 weitere Transportflüge des US-Shuttles und der russischen Rakete für die Raumstation folgen. Dafür müssen die mehr als 100 zu befördernden Bauteile in »handliche« Portionen zerlegt werden, die in die 4,5·4,5·16 Meter große Shuttleladeluke und unter die Nutzlastverkleidung der Proton passen. Vor allem der amerikanische Spaceshuttle wird für den ISS-Aufbau bis an seine Kapazitätsgrenzen beansprucht, aber er ist derzeit der einzige Schwerlasttransporter, der auch Astronauten in die Erdumlaufbahn und zurück befördern kann.Beim Zusammenbau der vielen Raumstationseinzelteile in der Umlaufbahn müssen die Astronauten Schwerarbeit leisten. Über 1200 Stunden Außenbordmanöver werden dafür notwendig sein, die den Männern und Frauen ein Höchstmaß an körperlicher Fitness und konstruktiver Geschicklichkeit sowie Geduld und Ausdauer abverlangen. Vor dem Einsatz im Orbit werden die Astronauten ihre speziellen Arbeiten auf der Erde mit Taucheranzügen in großen Wassertanks trainieren, wo durch den Auftrieb die Schwerelosigkeit relativ naturgetreu nachgeahmt werden kann.Russlands Beiträge zur RaumstationDie Russen leisten mit drei großen Druckmodulen, drei Wissenschaftslaboratorien, mit diversen Außenstationen, eigener Energieversorgung und mehreren Versorgungselementen nach den Amerikanern den zweitgrößten Beitrag zur Errichtung der Internationalen Raumstation. Die russischen Elemente bilden praktisch eine separate Raumstation von Ausmaßen des Mir-Komplexes innerhalb der neuen großen Station mit separater Lebenserhaltung sowie Experimentierkapazität.Für diese Elemente hat Russland das Nutzungsrecht alleine. Die dort fest eingebauten wissenschaftlichen Apparaturen können auch nicht mit den westlichen Experimentierschränken kombiniert werden — und umgekehrt. Bezogen auf die Versuchs- und Energiekapazitäten der gesamten Station hat Russland einen Anteil von 36 Prozent oder etwas mehr als einem Drittel. Der erfahrene östliche Partner spielt vor allem in der Aufbauphase der Raumstation eine wichtige Rolle. Die zuerst gestarteten russischen Module bilden in den ersten Jahren den logistischen Kern des gesamten Orbitkomplexes, an den alle amerikanischen und auch die Systeme der anderen Länder angekoppelt werden.Der Aufbau der »Internationalen Space Station« begann Ende 1998 mit dem Start des russischen Zarja-Moduls, das früher als »Funktional- und Nutzlastblock« (FGB) bezeichnet wurde. Dieser ISS-Kern hat — wie alle russischen Raumstationsmodule — Ähnlichkeit mit den zylindrischen Elementen des Mir-Komplexes. Zarja ist 13 Meter lang, hat einen Durchmesser von 4,5 Metern und etwa 20 Tonnen Gewicht sowie zwei große, seitlich herausragende Sonnenzellenausleger. Die anderen russischen Raumstationsbauteile haben vergleichbare Dimensionen.Zarja ist ein selbstständiges Orbitfahrzeug mit eigener Lageregelungs- und Bahnanpassungskapazität sowie Stromversorgung, Lebenserhaltungskapazität und Kommunikation. Dieses in der Anfangsphase für den Raumstationsaufbau so wichtige »Kraftpaket« bauten die Russen im Auftrag und auf Rechnung der Amerikaner.Zu den anderen Raumstationsmodulen der Russen gehört auch das »Universale Andockmodul«, an dem die beiden Forschungskomplexe RW1 und RM2 befestigt werden, sowie ein spezielles Lebenserhaltungselement (LSM). Dazu kommen noch ein Kopplungselement (DSM) zum Anlegen von russischen Zubringerfahrzeugen und eine Luftschleuse, die den Astronauten zum Verlassen der Raumstation für Außenbordmanöver dient — und zur Rückkehr.Am Heck des demnächst zu startenden Servicemoduls befindet sich der Kopplungsadapter für die Sojus-Astronautenkapseln der Russen und für die Progresszubringer. Auch das europäische »Automated Transfer Vehicle (ATV)«, das mit einer Ariane-5-Rakete regelmäßig Nachschubgüter zur Raumstation bringen wird, soll am russischen ISS-Bereich anlegen. Dafür wird der Adapter mit allen notwendigen Rendezvous- und Kopplungssystemen ausgerüstet.Bei der Montage der russischen Raumstationsmodule wird der von Europa zu entwickelnde Roboterarm eine wichtige Rolle spielen. Er wird bald nach dem Start der ersten Elemente angeliefert und an dem hohen Gitterturm montiert, an dem die Sonnenzellenpaneele befestigt sind. Die Russen wollen drei große Forschungsmodule an ihren Teil der Raumstation ankoppeln — angesichts der dramatischen Finanznöte des Landes wird das jedoch immer unwahrscheinlicher. Vielleicht versetzen die Russen auch einige neuere Module der alten Mir-Station an den ISS-Komplex. Infrage kommen dafür eventuell das Priroda-Modul zur Erdbeobachtung oder das Kristallmodul zur Materialforschung.Der europäische Beitrag zur Internationalen RaumstationMittelpunkt des europäischen ISS-Anteils ist die »Columbus Orbital Facility«, also das Forschungslabor, das an den großen Raumstationskomplex angekoppelt wird. Dieses als Columbus abgekürzte Element fungiert als bemanntes Mehrzwecklabor für Schwerelosigkeitsversuche in der Erdumlaufbahn. Es lässt sich ähnlich wie das vor 20 Jahren ebenfalls von Europa gebaute Spacelab relativ kurzfristig mit wechselnden Experimentieranlagen ausrüsten, um verschiedene Forschungsprojekte zu bearbeiten.Das europäische Columbus-Raumlabor besteht aus einem zylindrischen Aluminiumdruckkörper mit zwei konischen Endkappen an den offenen Seiten. Dieses oft auch als »Tonne« bezeichnete Modul misst im Durchmesser 4,5 Meter und ist 6,4 Meter lang. Das Startgewicht des Columbus liegt bei 12,5 Tonnen, davon entfallen 2,5 Tonnen auf die Nutzlast. Diverse Zapfen und Beschläge fixieren das Modul beim Start im Raumtransporter, nach der Verbindung mit der Raumstation bleibt es dort fest angekoppelt.Der linke Konusdeckel des Columbus trägt den passiven Teil des Kopplungsmechanismus für das Gegenstück am Knotenelement Nummer2, auf dessen anderer Seite das japanische Modul angekoppelt ist. Der rechte Konusdeckel des Columbus-Moduls trägt einige Vorrichtungen, auf denen die Astronauten Außenbordexperimente montieren können. Im Unterflurstauraum des Moduls befindet sich ein eigenes System, das ständig die Atemluft umwälzt und erneuert. Hier können auch die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit geregelt werden. Die elektrische Energie für die einzelnen Systeme liefert die Raumstationszentrale.Ein Datenmanagementsystem sorgt dafür, dass die zweiseitige Sprechfunkverbindung der gerade im Columbus-Labor befindlichen Besatzung mit den anderen Astronauten in der großen, verzweigten ISS-Station und mit dem Kontrollzentrum am Boden funktioniert. Die Daten der wissenschaftlichen Versuche werden in der Raumstationszentrale gesammelt und mit maximal 32 Millionen Bit je Sekunde über große Antennen an die Bodenstation weitergeleitet. Dazu gehören auch elektronische Fotos und Videofilme.Das Columbus-Labormodul ist Europas »Eintrittskarte« für die Beteiligung an der Raumstation und Voraussetzung dafür, dass die ESA-Länder den gesamten Großkomplex als Forschungsstätte in der Erdumlaufbahn nutzen können. Die Columbus-»Tonne« gilt gleichsam als kleines europäisches »Zimmer« im großen Raumstationshaus. Als offizieller Teilnehmer kann Europa auch regelmäßig Astronauten dorthin entsenden. Nach heutiger Planung wird jährlich ein ESA-Astronaut drei Monate lang in der Erdumlaufbahn arbeiten können. Er oder sie kann sowohl im Systembetrieb für die Raumstation als auch bei den wissenschaftlichen Experimenten eingesetzt werden.Den Entwicklungs- und Bauauftrag für das Columbus-Labormodul hat die Europäische Raumfahrtorganisation vor einigen Jahren an die DaimlerChrysler Aerospace (DASA) vergeben. Ingenieure und Wissenschaftler am DASA-Standort Bremen hatten schon vor 20 Jahren das Raumlabor Spacelab gebaut, dort gibt es also genug Erfahrung mit der Konstruktion bemannter Systeme. Erstmals akzeptierte die Industrie bei dem Columbus-Projekt einen Festkostenauftrag in Höhe von knapp 500 Millionen Euro, mit dem Budgetüberschreitungen vermieden werden sollen.Ein europäisches Modul für NachschubtransporteDas zweite große Raumstationselement der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA ist das »Automated Transfer Vehicle (ATV)«. Es handelt sich dabei um eine »intelligente« Oberstufe, die an Bord der Ariane-5-Rakete in den Erdorbit gebracht wird. Sie soll bis zu 20 Tonnen Treibstoff und andere wichtige Vorratsgüter zur Raumstation bringen. Damit kann Europa einen wichtigen Beitrag zum Unterhalt des ISS-Komplexes leisten und seinen Anteil von 7 Prozent der gesamten Betriebskosten zumindest teilweise in »Naturalien« bezahlen. Etwa alle 18 Monate wird die ESA ein neues ATV-Modul zur Raumstation starten. Kürzlich schloss die Europäische Raumfahrtorganisation mit der französischen Firma Aerospatiale einen Vertrag zur Entwicklung und zum Bau von zunächst zwölf ATV-Einheiten. Auch die deutsche DASA ist wesentlich am Bau dieser wichtigen Oberstufen beteiligt.Das »Automated Transfer Vehicle« hat die Form eines flachen Zylinders von 4,6 Metern Durchmesser und 2,5 Metern Höhe. Es besteht aus einem Antriebs- und Steuermodul sowie zwei großen Treibstofftanks, acht Raketentriebwerken am Heck, einer Flugsteuerung mit Entfernungsradar sowie Sonnen- und Erdsensoren. Der große Laderaum kann teilweise klimatisiert, also mit atmosphärischem Druck versorgt werden. Die nötige elektrische Energie liefern zwei ausklappbare Sonnenzellenausleger, die Steuerung und Überwachung übernimmt ein leistungsfähiges Computersystem.Die ATV-Stufe mit ihrer Nutzlast wird zum Start auf der Spitze der Ariane-5-Rakete montiert und beim Flug durch die Atmosphäre von der Nutzlasthaube geschützt. Zehn Minuten nach dem Abheben von der Raketenbasis hat das ATV die vorläufige elliptische Umlaufbahn mit den Daten 70,300 Kilometer Abstand von der Erde erreicht und trennt sich von der ausgebrannten Rakete. Mit dem eigenen Antrieb »klettert« das ATV dann während der ersten Umläufe zum Raumstationsorbit, der bei 400 Kilometer Höhe liegt. Dann folgt das automatische Rendezvous des ATV mit der Internationalen Raumstation. Das gesamte Manöver dauert etwa zwei Tage.Die zweite wichtige Aufgabe des ATV neben dem Nachschubtransport ist das Reboost-Manöver, also das regelmäßige Anheben der Raumstation in eine höhere Umlaufbahn. Denn auch in 400 Kilometer Höhe gibt es Luftmoleküle, die den großen, schweren ISS-Komplex allmählich abbremsen, sodass er der Erde immer näher kommt. Um den Absturz zu verhindern, muss die Umlaufbahn der Station mit einem leistungsfähigen Schubsystem regelmäßig um einige Dutzend Kilometer angehoben werden. Die NASA besteht darauf, dass für solche sicherheitsrelevanten Manöver stets ein Reservesystem zur Verfügung steht: Außer dem ATV-Modul wird deshalb auch der russische Progresszubringer dafür eingesetzt.Bis zu sechs Monaten kann das »Automated Transfer Vehicle« an den ISS-Komplex angekoppelt bleiben und als »Mülleimer« für die vielen Abfälle dienen, die beim Betrieb anfallen. Dann wird das ATV abgekoppelt und mit dem bordeigenen Antriebsystem auf eine niedrige Umlaufbahn gelenkt. Über dem Pazifik wird das europäische Modul schließlich zum Absturz gebracht und dann in der Erdatmosphäre verglühen.Die Missionen der beiden europäischen Raumstationselemente überwachen und steuern zwei Bodenstationen. Die Funktion des Columbus-Labors und die Aktivitäten der Astronauten soll ein neues Zentrum in Oberpfaffenhofen bei München kontrollieren. Das dort bestehende Kontrollzentrum überwachte bereits vor Jahren die beiden deutschen Spacelabflüge und die zwei Astronautenbesuche in der russischen Mir-Station. Dort stehen auch die nötigen elektronischen, logistischen und personellen Ressourcen zur Verfügung. Den Flug der »Automated Transfer Vehicles« steuert ein französisches Zentrum in Toulouse. Beide Anlagen unterliegen jedoch stets der Oberaufsicht der zentralen amerikanischen Raumstationsbodenkontrolle in Houston/Texas.Japans Beiträge zur Internationalen RaumstationDas fernöstliche Land hat trotz aller Wirtschaftsprobleme stets an seinem relativ großen Beitrag zum ISS-Projekt festgehalten. Dieser besteht hauptsächlich aus einem 11,2 Meter langen und 4,5 Meter breiten zylindrischen Arbeits- und Wohnmodul, das etwa 15 Tonnen wiegt. Es hat große Ähnlichkeit mit den beiden amerikanischen Laborelementen. Außerdem liefert Japan noch eine große Außenplattform für Experimente, die ungeschützt unter harten Weltraumbedingungen stattfinden sollen. Dazu kommt noch ein Logistikelement und ein eigener Greifarmroboter. Damit ist Japans Beitrag zur Raumstation vom Volumen her etwa doppelt so groß wie das europäische Columbus-Labor.Mit ihren Laborkapazitäten können die Japaner in der Erdumlaufbahn die Raumstation fast industriell nutzen und im wissenschaftlichen Betrieb bald mit den Amerikanern konkurrieren. Außerdem liegt ihre Beteiligung an der Raumstation mit 8,2 Prozent etwas höher als Europas Anteil. Auch wollen die Japaner mit ihrer H2A-Rakete und einer neuen Transferstufe ähnlich wie Europa eigene Vorräte und die anderer Länder in den Orbit zur ISS bringen und so ihren Unterhaltsbeitrag ebenfalls in »Naturalien« abgelten.Hinzu kommt, dass die Japaner einige Experimentierkapazitäten in ihrem Labormodul an andere Länder mit weniger Laborraum oder an Forschungsinstitute in aller Welt vermieten wollen. Allein die Hälfte des japanischen Laborkontingents von insgesamt 16 Experiment-Racks erhalten jedoch die Amerikaner als Gegenleistung für ihren großen logistischen Anteil bei Aufbau, Unterhalt und Nutzung der Raumstation. Dieser Anspruch besteht übrigens auch für den Gebrauch des europäischen Columbus-Labormoduls.Bei der Ausrüstung für ihr Labormodul orientieren sich die Japaner an Erfahrungen der Europäer und Amerikaner bei den Spacelabflügen. Auch Japan hat vor Jahren eine solche Mission an Bord des Shuttles geflogen und zahlreiche biomedizinische und materialtechnische Experimente unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit vorgenommen. Für diese Untersuchungen baute das Land eigene Experimentieranlagen mit Heizöfen und kleinen Gefrierschränken. Für den Betrieb der Labors und die Versuche kann das »Japanese Experiment Module« (JEM) von der Energiezentrale der Raumstation maximal 25 Kilowatt elektrische Leistung abzweigen. Die Versuchsergebnisse werden mit 100 Megabit je Sekunde zur Bodenkontrolle ins texanische Houston oder direkt nach Tokio übertragen. Über Experimentieranlagen und Vorratsräume verfügen die Japaner auch in ihrem Logistikmodul, das 4,2 Meter breit und 4,9 Meter hoch ist. Nach Gebrauch kann es später gegen ein neues Element ausgetauscht werden. Die Astronauten gelangen über einen Durchstieg von einem der Zylindermodule ins andere. Sehr eindrucksvoll sind auch die Ausmaße der japanischen Außenplattform mit immerhin 4,2☓4,9 Metern. Auf diesem »Balkon« kann die Besatzung der Raumstation ihre wissenschaftlichen Experimente längere Zeit direkt den unwirtlichen Bedingungen des Weltraums aussetzen.Kanadas BeitragSchon für den amerikanischen Spaceshuttle hatte das große Land nördlich der USA einen speziellen »Weltraumkran« entwickelt, der sich während Dutzender Einsätze hervorragend bewährte. Er bewältigt problemlos das Aus- und Einladen von Nutzlasten und dient auch als Arbeitsplattform für die Astronauten bei ihren schwierigen Außenbordmanövern.Für die Raumstation entwickeln die kanadischen Ingenieure ein neues, größeres »Mobile Servicing System«, um sowohl kleine als auch große, massereiche Elemente und andere Nutzlasten zu handhaben. Nur mithilfe des MSS können die vielen Raumstationsmodule und Strukturelemente aus der Shuttleladeluke herausgehoben oder von einer Trägerrakete übernommen und dann an die vorgesehene Stelle in dem ISS-Komplex manövriert oder später vielleicht auch umgesetzt werden.Das neue »Mobile Servicing System« für die Internationale Raumstation besteht vor allem aus drei Hauptteilen sowie zwei universellen Enden, die über bewegliche Gelenke zwischen den einzelnen Elementen verfügen. Mit diesen Endstücken bewegt sich das MSS »Hand über Hand« auf vorbereiteten Fixpunkten entlang der 100 Meter langen zentralen Gitterstruktur, sodass fast jede Stelle der Raumstation erreicht werden kann. Sowohl von der zentralen Kommandobrücke in der Station als auch von außen können Astronauten den Greifarm steuern.Leben und Arbeiten in der RaumstationDie Astronauten und Kosmonauten an Bord der Raumstation leben wahrscheinlich ähnlich wie ihre Kollegen bei den bisherigen bemannten Raumflügen vor allem mit dem Spacelab. Der Tagesablauf in der »International Space Station« richtet sich nach der amerikanischen Bodenkontrolle in Houston/Texas. Das bedeutet, dass man die Astronauten morgens um 8 Uhr amerikanischer Zeit weckt, der Tag wird in je acht Stunden Arbeit, Freizeit und Schlaf eingeteilt. Nur für besondere Versuchsabläufe, die rund um die Uhr betreut werden müssen, werden sich zwei Astronautenteams mit je 12 Stunden Bereitschaftsdienst ablösen. Dies hat sich zumindest bei den zahlreichen Spacelabmissionen in den vergangenen Jahren bewährt, bei denen sich jeweils ein blaues und ein rotes Astronautenteam abwechselten.Mit der Zeit können sich die festen Zeitgrenzen in der Tagesplanung aber auch ändern. Das hängt unter anderem vom Befinden der Astronauten, vom Verlauf der Experimente und auch von eventuellen Störungen im ISS-Betriebsablauf oder bei den Versuchen ab. Während der Langzeitflüge der Sowjets hatte sich nach einigen Monaten ungefähr folgende Tageseinteilung für die Kosmonauten eingespielt: neun Stunden Schlaf und Körperpflege, acht Stunden wissenschaftliche Arbeit, zwei Stunden für drei Mahlzeiten, zwei Stunden Fitnessübungen, zwei Stunden Freizeit und eine Stunde Kontakt mit der Bodenkontrolle.Auch in der Internationalen Raumstation will man — abgesehen vom Schlafen — die langen Arbeitsphasen regelmäßig mit anderen Tätigkeiten auflockern. Sollte es nämlich zu Schwierigkeiten mit den Raumstationssystemen oder den Experimenten kommen, müssen die Besatzungsmitglieder flexibel reagieren, der langfristige Arbeitsplan darf deshalb nicht zu starr sein.Ihre Freizeit werden die Astronauten vor allem im amerikanischen Wohnmodul (Habitat) zubringen, wo neben den kleinen Privatkabinen auch ein größerer Aufenthaltsraum eingerichtet wird. Dort befinden sich auch die Küchenanlagen und ein Essplatz. Durch ein größeres »Bullauge« werden die Männer und Frauen die fantastische Aussicht auf die Erde genießen. Zur Nachtruhe können sich die Besatzungsmitglieder in mehrere Einzelkabinen zurückziehen, dort gibt es eine Art Schlafsack oder Hängematte, eine Leselampe und ein Musikcenter sowie einen Anschluss an die Kommunikationsanlage, über die die Astronauten auch Gespräche mit Familienangehörigen führen können.Nur trainierte Astronauten im WeltraumAlle bisherigen Erfahrungen bei bemannten Raumflügen beweisen, dass nur körperlich und vor allem fachlich gut trainierte Astronauten die wissenschaftliche Arbeit an Bord des amerikanischen Spaceshuttle, des europäischen Spacelab oder in der russischen Mir-Raumstation leisten konnten. Gerade bei komplizierten Experimenten in der Schwerelosigkeit, bei denen eine hohe Flexibilität des Handelns verlangt wird, ist ein geschulter Wissenschaftler unentbehrlich und letztlich preiswerter und zuverlässiger als jeder noch so hochentwickelte Roboter, der mitunter schon bei kleinsten Fehlern oder einer ungeplanten Abweichung versagt.Das zeigte sich vor allem bei den zwei von Deutschland organisierten Spacelab- und Mir-Flügen vor einigen Jahren. Nur dank der hervorragenden Arbeit der im »Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt« ausgebildeten Nutzlastspezialisten waren diese Missionen sowohl technisch als auch wissenschaftlich so erfolgreich. Vor allem bei technischen Problemen kann der Mensch mit seiner besonderen Vorbildung, mit seiner vielseitigen Beobachtungsgabe und mit seinem Kombinations- und Improvisationsvermögen schneller und weitaus besser reagieren als ein Automat. Unter anderem reparierten die Astronauten bei den zwei deutschen Spacelabflügen an Bord des US-Shuttle mehrere defekte Versuchsanordnungen. Ohne diese Reparatur wäre die Erfolgsbilanz der gesamten Mission weniger positiv ausgefallen. Ein Roboter an Bord hätte dies nicht leisten können.Außerdem sind die Männer und Frauen bei vielen Versuchen der Gleichgewichts- oder Kreislaufforschung in der Umlaufbahn ihre besten »Versuchskaninchen«. Am eigenen Körper kann ein Astronaut die Auswirkungen der oft sehr komplizierten Fragestellungen der Biomedizin am besten beobachten. Die fortlaufende Kontrolle, Bewertung und eventuelle Steuerung und Variation der Versuche macht den Astronauten in der Umlaufbahn zum verlängerten Auge, Ohr und zur Hand der Wissenschaftler am Boden. Dies gilt vor allem bei schwierigen Flüssigkeits- und Materialversuchen, bei biologischen und medizinischen Tests.Diesen Vorteilen gegenüber steht jedoch ein erheblicher Aufwand, um die Sicherheit und die Gesundheit der Astronauten an Bord zu gewährleisten. Dies beginnt bei der Sauerstoffversorgung, bei Essen und Trinken, einem gegenüber Robotern erhöhten Platzbedarf und endet bei medizinischen Fragen wie der Raumkrankheit. Diese tritt vor allem bei kurzen Orbitflügen störend in Erscheinung. So leidet etwa die Hälfte aller Astronauten in den ersten zwei bis vier Tagen der Mission unter den typischen Symptomen dieser an die Seekrankheit erinnernden Beschwerden. Dazu gehören Übelkeit, Kopfschmerzen und Schwindelgefühle mit Erbrechen. Die körperliche Leistungsfähigkeit und Konzentration der Männer und Frauen ist in dieser Phase des Raumflugs stark eingeschränkt, wenn es auch seit einiger Zeit verschiedene Medikamente gibt, die die Symptome der Raumkrankheit lindern helfen.Für die jeweils dreimonatigen Aufenthalte in der Raumstation werden die Astronauten von den Medizinern in den nächsten Jahren noch besser auf das rasche Überwinden der Raumkrankheit vorbereitet. Vor allem werden sie dieses Problem und auch andere Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Organismus weiter erforschen. Problematisch sind in erster Linie der Calciumverlust in den Knochen und die Abnahme der Muskelmasse, weil diese bei längerem Aufenthalt in der Schwerelosigkeit kaum noch beansprucht werden. Außerdem erkennt man auf Fotos der Astronauten immer sehr gut die Blutansammlung im Oberkörper der Raumfahrer, die mit einem Anschwellen des Gesichts verbunden ist.Bei längeren Raumflügen, vergleichbar mit den Langzeitrekordflügen der Russen von mehr als einem Jahr Dauer, müssten die Astronauten deshalb regelmäßig trainieren, mindestens zwei oder drei Stunden täglich, um ihre körperliche Spannkraft zu bewahren. Am besten dafür geeignet sind ein Fahrradergometer, ein Expander für den Oberkörper oder ein Laufband für die Beinmuskeln. Das Training ist den Männern und Frauen oft schwer gefallen, da sie nach der Eingewöhnungsphase die Schwerelosigkeit als angenehm und bequem empfanden.Die aufregenden Raumflüge vieler amerikanischer, russischer und internationaler Astronauten haben bei einigen jungen Menschen den Wunsch aufkommen lassen, diese Karriere ebenfalls einzuschlagen. Doch die Anforderungen an Astronauten sind sehr hoch — dies gilt sowohl für die persönliche als auch die beruflich-fachliche Qualifikation. Nur Männer und Frauen mit überdurchschnittlicher wissenschaftlicher Begabung, ausgezeichneter Gesundheit und mit einem ausgeglichenen, auf Teamarbeit ausgerichteten Charakter haben eine Chance bei den strengen Auswahlprozeduren.Wohnen in den ModulenDie Atmosphäre in der Raumstation entspricht mit 80 Prozent Stickstoff und 20 Prozent Sauerstoff weitgehend der irdischen Atemluft. Auch der Druck liegt erdähnlich bei 1 Bar, die Temperaturen können im Bereich von 16 bis 32 Grad Celsius reguliert werden. Allerdings ist die Atemluft in der Orbitstation sauberer als auf der Erde, da Fremdstoffe in den Gasen über Filter entfernt werden. Pollenallergiker und Asthmatiker hätten in der Raumstation kaum Beschwerden.Zu den Mahlzeiten treffen sich die Astronauten nach ihrer Arbeit vor allem im amerikanischen Wohnmodul, soweit es die oft schwierigen Experimente zulassen. Im »Habitation Module« befindet sich neben diversen Schlafkabinen auch ein Badezimmer für die Astronauten mit einer speziellen Toilettenanlage, einem Waschplatz und einer Dusche. Schon bei der Konzeption dieser Anlagen achten die Ingenieure darauf, dass alle Systeme in der Schwerelosigkeit einfach zu bedienen sind und zuverlässig funktionieren. Wasser lässt sich etwa im Orbit nur mit einer speziellen Druckvorrichtung zu einem Strahl komprimieren, und nach Gebrauch muss die Flüssigkeit abgesaugt werden.Bei der Inneneinrichtung der Module werden auch Innenarchitekten und Farbpsychologen zurate gezogen, um den Astronauten bei den monatelangen Aufenthalten in der technischen Umgebung ein Mindestmaß an Wohnlichkeit zu schaffen. Trotzdem werden sich die Männer und Frauen in dem ISS-Komplex auf Dauer wie in einem großen, verzweigten U-Boot vorkommen. So gibt es nur wenige Bullaugen, von denen aus die Besatzung in den kurzen Arbeitspausen die Aussicht auf die Erdoberfläche oder den Sternenhimmel genießen kann.Die Basisflächen der Module erhalten eine etwas dunklere Färbung, um den Fußboden zu kennzeichnen. Die Seitenwände der Zylinderkörper und die Deckenflächen sind hellblau oder grün gestrichen. Diese Kennzeichnung dient vor allem der Orientierung, da in der Schwerelosigkeit oben und unten keine Rolle spielt, weil die Astronauten frei und manchmal auch kopfüber in den Modulen schweben und sich überall bewegen oder aufhalten können, wo sie wollen.Essen und Schlafen in der SchwerelosigkeitDie drei täglichen Mahlzeiten nehmen die Astronauten der Raumstation nach Möglichkeit gemeinsam im Wohnmodul der Amerikaner ein. Die Fertigmenüs suchen die Männer und Frauen noch auf der Erde aus, für jeden Tag gibt es dann eine vorbestellte Speiseordnung, jede Woche wiederholt sich die Reihenfolge. Die Speisen werden dehydriert, also gefriergetrocknet vom Spaceshuttle angeliefert, für die Mahlzeiten müssen sie mit Wasser angereichert und in einer Mikrowelle erwärmt werden. Dazu gibt es ausreichend Getränke aller Art sowie Obst und diverse Snacks für den kleinen Hunger. Wie die jahrelangen Erfahrungen der Russen bei ihren Raumstationsmissionen zeigten, verbrauchen sechs bis sieben Astronauten pro Jahr etwa 20 Tonnen Vorräte. Das entspricht der Zuladung des Raumtransporters oder der Ariane-5-Rakete.Während des Essens müssen sich die Männer und Frauen in der Raumstation an ihren Sitzen in der Küche festschnallen, damit sie nicht davonschweben. Beim Trinken oder Löffeln von Suppe ist besondere Vorsicht geboten, da keine Tröpfchen frei herumschweben dürfen, die die Elektronik beeinträchtigen könnten. Also müssen alle Flüssigkeiten mit einem kleinen Röhrchen aus dem sonst verschlossenen Behältnis gesaugt werden, Kleckern ist verboten.Beim Küchendienst — das betrifft das Vorbereiten der Mahlzeiten ebenso wie das Aufräumen hinterher — werden sich die Astronauten täglich abwechseln. Dies hat sich zumindest bei den bisherigen Raumflügen von Amerikanern und Russen bestens bewährt. Um eine Mahlzeit für sechs Besatzungsmitglieder vorzubereiten, benötigt ein Mann oder eine Frau etwa eine halbe Stunde, und ähnlich lange dauert das Aufräumen hinterher. Aber gerade die gemeinsamen Mahlzeiten sind erfahrungsgemäß in der eintönigen Bordroutine eines längeren Raumflugs besonders wichtig. Sie bieten häufig die einzige Abwechslung des Tages und die Gelegenheit zum fachlichen und persönlichen Meinungsaustausch oder einfach nur zum »Tratschen«, um so Spannungen abzubauen. Auf die Psyche wird auch beim Schlafen geachtet: Für die Nachtruhe gibt es in der Internationalen Raumstation diverse Einzelkabinen und Schlafkojen, in die sich die Männer und Frauen am Abend zurückziehen und in denen sie vor dem Einschlafen lesen oder mit ihren Angehörigen telefonieren können. Dann werden die Quartiere verdunkelt, weil in der ISS-Umlaufbahn alle 47 Minuten die Sonne auf- und wieder untergeht.Dipl.-Ing. Wolfgang EngelhardtWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:bemannte Raumfahrt: Neue Konzepte für ferne ZieleEsser, Michael: Der Griff nach den Sternen. Eine Geschichte der Raumfahrt. Basel u. a. 1999.Messerschmid, Ernst u. a.: Raumstationen. Systeme und Nutzung. Berlin u. a. 1997.Puttkamer, Jesco von: Apollo 11: »Wir sehen die Erde«. Der Weg von Apollo 11 zur internationalen Raumstation. München 1999.
Universal-Lexikon. 2012.